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Eva Kroner, 19.4.2023

Die Kreativität der Kinder sprudelt dann nur so heraus

Interview mit der Künstlerin Eva Kroner

Liebe Eva, du bist Künstlerin und Kunsttherapeutin. Wo treffen sich bei dir die Künstlerin und die Therapeutin wieder?

Wo? Oder eher wo nicht? Denn eigentlich begegnen sie sich ständig. Schon in meiner Diplomarbeit beschrieb ich die Verbindung von Kunsttherapie und Kunstpädagogik. Ich kann das gar nicht voneinander trennen. Kunst wirkt immer auf einen größeren Lebensbereich als nur auf den Moment, in dem sie geschaffen wird. Egal, ob ich Kunst mache und diese wo hinhänge, wirkt sie ja schon, vielleicht auch therapeutisch.  Auch wenn ich mit jemanden gemeinsam Kunst mache, in der Lehre oder in einem Austausch, da ist eine Art Therapie immer mit dabei, finde ich.

Obwohl es tolle Kunsttherapie-Ausbildungen gibt, habe ich auch schon Künstler:innen ohne Ausbildung als großartige Therapeut:innen erlebt. Die Kunst und ihre Wirken ist nicht so einfach voneinander trennbar.

Arno Stern hat mich auch sehr mit seinem Konzept des Malortes inspiriert – ich habe selbst einen Malort eingerichtet, um dort mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu arbeiten. Das sind immer wieder sehr spannende Momente, die wir dort erleben.

Du hast einmal erwähnt, dass du in deinen Kursen kein Lob geben möchtest. Wie reagieren Kinder und Erwachsene darauf, wenn sie nicht durch Lob bewertet werden?

Viele Kinder, die zu mir in den Kurs kommen, müssen erst wieder lernen, dass sie nicht dauernd auf meine Bewertung warten müssen. Ich gebe keine Bewertungen, wie vielleicht Lehrer:innen in der Schule aufgefordert sind, dies zu tun. Eine weitere Person, die mich sehr inspiriert, ist Maria Montessori. Sie meinte, man solle sich gut überlegen, wie man loben will.  

Viele Kinder, die ca. ab 10 Jahren zu mir kommen, die tun sich dann sehr schwer, aus dem Beurteilungssystem rauszukommen, dass sie in der Schule, zu Hause oder generell im Leben kennen gelernt haben. Da arbeiten wir dann intensiv daran, dass sie wieder frei werden und schaffen können und dabei wieder mehr auf ihre Selbstbewertung hören können.

Die Kinder und Erwachsenen in meinen Kursen sollen wieder erkennen: Ich mach das nicht, damit ich gelobt werde, ich mach das für mich.

Wie gehst du vor, wenn Kinder fragen: "Hab ich das schön gemacht?"

Ich verweise die Kinder immer an sie selbst. "Wie geht’s dir damit, wenn du das ansiehst? Was empfindest du?" Oder wenn sie fragen: "Bin ich schon fertig oder muss ich noch was machen?" Dann stelle ich die Frage an sie zurück. Denn die Kinder wissen ganz genau, ob ihre Arbeit fertig ist. Und wenn ich sie dann frage: "Was meinst du? Bist du fertig?" Dann kommt immer: "Ja, ich bin fertig" oder "Ah, jetzt weiß ich es, da kommt noch was dazu." Ich will dabei so weit wie möglich von meiner Person weglenken und die Kinder oder Erwachsenen wieder zu sich selbst verhelfen.

Was dabei auch sehr wichtig ist, ist das gemeinsame Betrachten der Arbeit.  Ich finde, die Werkbetrachtung sollten Kinder möglichst früh üben. Wir machen uns dafür ein paar Regeln aus, wie wir Feedback geben, und dann besprechen wir immer gemeinsam alle Werke. Sie werden dadurch selbstbewusster, ihr eigenes Werk laut zu betrachten, und das wirkt sich auf ihren kreativen Gestaltungsprozess aus, der dadurch auch selbstbewusster und sicherer wird. Es kommen immer weniger die Fragen nach: "Ist das schön? Ist es schon fertig?"

Was machst du, wenn ein Kind ein Bild nach einer Vorlage schaffen möchte,  aber daran verzweifelt, weil seins nicht so schön ist wie das andere. Zum Bsp.: Meine Giraffe schaut nicht so echt aus wie auf diesem Bild.

Ich erlebe, dass die bis Achtjährigen nicht so viel überlegen. Sie vergleichen sich noch nicht mit anderen. Sowas kommt meist erst ab der Unterstufe. Da fangen sie an, sich zu vergleichen oder auch naturalistisch arbeiten zu wollen. Und wenn dann ein Kind kommt und unbedingt eine echte Giraffe zeichnen will, dann kann man das gemeinsam lernen. Meist sind sie dann schon in einem Alter, wo sie die Fertigkeiten dazu haben. Und dann kann man naturalistisches Zeichnen wie Mathematik lernen .

Selten erlebe ich, dass ein kleines Kind zu seiner supercoolen abstrakten Giraffe sagt, das gefällt mir jetzt aber nicht.

Falls ein Kind sowas wirklich sagt, dann, glaube ich, hat das Kind ein Defizit in einem anderen Bereich. Dann braucht das Kind Ermutigung. "Du bist super, so wie du bist, du bist richtig, du machst das richtig. Ich sehe dich, du bist super." Und keine Korrektur im künstlerischen Prozess. Aber ich erlebe sowas sehr selten.

Du bist Malerein, Kunstlehrende, Tänzerin und Therapeutin. Wo treffen sich deine Talente mit deiner Arbeit wieder?

Das ist eine wichtige Frage. Ich habe manchmal das Gefühl, ich bekomm nicht alles unter einen Hut. Malerei und Tanz sind meine Leidenschaften. Ich habe schon einige Workshops gemacht, wo Tanz und Malerei ineinanderflossen. Auch mit den Kindern in der Kunstschule verbinde ich manchmal Bewegung und Tanzspiel mit dem kreativen Schaffen der bildenden Kunst. Vor allem Kinder fordern das ja auch oft. Die haben oft eine größere Bereitschaft für interdisziplinäres Arbeit als wir Erwachsenen.

 Arbeitest du auch mit Erwachsenen oder nur mit Kindern?

Ja doch, ich habe zuerst nur mit Erwachsenen gearbeitet und kam erst durch die Kreativakademie zu den Kindern. Mit Erwachsenen zu arbeiten, ist viel schwerer als mit Kindern. Sie durchleben die vielen Schulen der Selbstverurteilung schon seit Jahrzehnten, da muss man schon viele Mauern einreißen, damit sie wieder in Fluss kommen. Kinder sind da noch freier.

 Was bringt dir als Künstlerin die Arbeit mit Kindern und Erwachsenen?

Sehr viel. Meistens sind das so Momente in Unterrichtseinheiten, wo ich merke,  jetzt läufts, jetzt ist der Schaffensflow da, und manchmal ist es bockig und Widerstände tun sich auf, wo ich neue und alte Strategien einsetzen muss, da muss ich mich selbst wieder in den Flow bringen. Das sind ähnliche Vorgänge wie beim künstlerischen Arbeiten und da hilft mir die Arbeit mit anderen Menschen sehr.  

Vor allem fällt mir auf, dass die Kinder aus dem letzten Jahr immer besser werden, weil ich mich immer mehr zurücknehme. Ich merke, das tut den Kindern gut. Und sie lernen immer mehr, mit sich selbst zu arbeiten. Die Kinder merken, es ist Material da, der Raum ist da und eine Person, die es super findet, dass ich da bin, und mehr braucht es oft gar nicht. Die Kreativität der Kinder sprudelt dann nur so aus ihnen heraus und das zu beobachten, bereitet mir sehr viel Freude.

 

Vielen lieben Dank für das Gespräch!

Eva Kroner ist freischaffende bildnerische Künstlerin und Tänzerin. Sie studierte Kunstpädagogik und Kunsttherapie an der Akademie der bildenden Künste Wien und an der Goetheanistischen Studienstätte. Seit 2015 unterrichtet sie Kinder und Erwachsene an der Kreativakademie in Wolkersdorf. Mehr zu Eva Kroner hier.