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Viola Rosa Semper, 6.7.2023

Kinder experimentieren lassen!

Neugierde ist Kindern angeboren.

Neugierde ist Kindern angeboren. Sie zu fördern, ist trotzdem wichtig, denn so bleibt sie ein Leben lang erhalten.

Für Kinder bieten alle Augenblicke neue Erfahrungen. Jeder Sinneseindruck ist ein Abenteuer, das voller Fragen steckt – und mit allen Sinnen beantwortet werden möchte. Neugierde ist bereits bei Säuglingen vorhanden. Sie greifen nach Gegenständen und möchten diese mit dem Mund ‚ertasten‘. Hierbei geht es nicht um Nahrungsaufnahme, sondern um das Erkunden des Objekts. Und jedes Erkunden ist eine Art Experiment.

Während Erwachsene durch Experimente an den Physik- oder Chemieunterricht in der Schule erinnert werden, beginnt das Experimentieren in Wahrheit viel früher. In jedem Spiel steckt ein Experiment, eine Form des Ausprobierens, des Erlebens und praktischen Begreifens. Der Ablauf ist dabei immer gleich – egal ob Kleinkinder sich austoben, oder Wissenschaftler:innen die Geheimnisse des Universums lüften.

Zuerst wird eine Idee oder Vermutung aufgestellt. Zum Beispiel nimmt ein Kind ein Objekt in die Hand und möchte es durch ein Loch in eine Kiste stecken (ein sogenanntes „Steckspiel“). Die These des Kindes ist: Das Objekt passt hindurch. Dann wird ausprobiert, ob das wirklich zutrifft. Das heißt, das Kind versucht, den Gegenstand durch die verschiedenen Ausschnitte zu stecken. Bei einem der Löcher klappt es schließlich. Es gibt folglich das Ergebnis, dass ein bestimmtes Objekt durch ein bestimmtes Loch passt. In einem Experiment wird also eine Idee praktisch ausprobiert, um zu sehen, ob sie umsetzbar ist. Egal, ob die These dabei gelingt oder nicht, am Ende wurde die Neugierde gestillt und etwas gelernt. Und das ist der Sinn eines Experiments.

"Ich probiere einfach aus!"

Verschiedene Arten von Neugierde – und ihre Vorteile

Der US-amerikanische Forscher Todd Kashdan unterscheidet zwei Arten der Neugierde. Jene, die unsere Motivation nach Wissen und neuen Erfahrungen ankurbelt und jene, die uns die Bereitschaft gibt, uns auf das Ungewisse und Unvorhersehbare im Alltag einzulassen. Beide Formen führen zu positiven Erfahrungen und mehr Lebensqualität.

Wer neugierig auf andere ist, zeigt ehrliches Interesse. Das verbessert zwischenmenschliche Beziehungen und führt zu einem lebendigeren Sozialleben, einem wichtigen Aspekt für die Lebenszufriedenheit. Außerdem haben Studien gezeigt, dass Bewerber:innen bei Bewerbungsgesprächen eher einen Job bekommen, wenn sie neugierig wirken.

Generell gilt: Wer Lust auf Neues hat, überwindet leichter seine Ängste, denn die Belohnung erscheint größer als die möglichen negativen Konsequenzen. Diese positive Einstellung unsicheren Situationen gegenüber steigert wiederum die Lebensfreude.

Zu guter Letzt ist allseits bekannt, das Neugierde schlau macht. Wer seinen Wissensdurst niemals stillen kann, stellt immer weiter Fragen, lässt sich auf Experimente ein und lernt dabei etwas Neues – über sich selbst, seine Mitmenschen und seine Umwelt.

In jedem Alter die Welt entdecken

Die Freude am neugierigen Experimentieren kann sich unterschiedlich ausdrücken. Vom Säugling, der mit Zunge und Lippen die Welt erkundet, über Kleinkinder, die mit ihrer verstärkten Motorik und dem feineren Tastsinn Gegenstände angreifen und von allen Seiten betrachten wollen, bis hin zur sprachlichen Neugierde. Spätestens ab einem Alter von drei Jahren beginnen Kinder auch verbal die Welt zu erfragen. Der intrinsische – also angeborene, innere – Wissensdurst der Kinder festigt sich aber bereits viel früher und sollte gut unterstützt werden. Die Grundlage für den Entdeckergeist wird bereits in den ersten 18 Lebensmonaten gelegt. Hier werden die Weichen gestellt, ob aus den neugierigen Kleinkindern selbstständige Erwachsene werden.

Wichtig ist, dass Kinder die Chance haben, eigene Erfahrungen zu sammeln, dabei aber die Sicherheit spüren, im Zweifelsfalls von ihren Eltern Unterstützung zu erfahren. Das bedeutet aber keineswegs, das Scheitern zu verhindern, denn das gehört dazu. Kinder lernen rascher, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, sondern sie mehrere Rückschläge erleiden müssen, bevor ihnen eine Aufgabe gelingt. So wird die Neugierde durch das finale Erfolgserlebnis weiter bestärkt. Wichtig ist die Erkenntnis, dass eine erste Niederlage kein Ende bedeutet, sondern dass lediglich ein weiterer Versuch notwendig ist.

Scheitern ist also gut, aber es lauern andere Gefahren in unserer modernen Welt. Verkehr, Strom, Keime und Alltagsstress kommen ständig in die Quere. Für Eltern ist daher die größte Herausforderung, das freie Spiel zuzulassen. Eine Möglichkeit zum sicheren Experimentieren ist es, klare Aufgaben im Alltag zu stellen.

Drei Experiment-Ideen aus dem Alltag

Das Pasta-Portionen-Problem: Welcher Topf ist groß genug, um darin die Nudeln fürs Mittagessen zu kochen? Während die Erwachsenen die Soße vorbereiten, darf das Kind die vorportionierte Pasta in verschiedene (leere) Töpfe füllen, um zu sehen, welcher fürs Kochen genug (aber nicht zu viel) Platz bietet. Wer Pasta-Sorten wechselt, kann dabei herausfinden, ob Penne, Hörnchen oder Spagetti wirklich alle in denselben Topf sollten. Extra Tipp: Um auch den Geschmackssinn anzusprechen, darf nach jeder Minute Kochzeit eine Nudel verkostet werden, um zu sehen, wie schnell (oder langsam) sich Geschmack und Konsistenz verändern. „Mit dem Essen spielt man nicht“ gilt schon lange nicht mehr.

Das Versteck-Spiel der Technik: Unser Smartphone ist ein ständiger Begleiter. Und trotzdem scheint es immer dann verschwunden, wenn wir es gerade brauchen. Ein Glück, dass man es anrufen kann. Warum also das Alltagsproblem nicht in ein auditives Experiment verwandeln? Dafür wird das Handy bewusst versteckt und dem Suchenden werden die Augen verbunden. Wenn es nun läutet, wird ganz auf den Hörsinn gesetzt, um das Smartphone zu finden. Erforscht wird, wie sich die Umgebung des Smartphones auf die Lautstärke auswirkt. Dafür kann es einmal in einer Obstschüssel, einmal im Wäschekorb, einmal unter dem Kopfkissen, oder im Schrank versteckt werden, ... Wer eine Extra-Herausforderung möchte, stellt das Handy auf Vibrationsmodus.

Mit zehn Zehen-Fühlen: Eine gute Möglichkeit, mit dem Tastsinn zu experimentieren, ist es, die Hände beim Aufräumen außen vor zu lassen, damit die Füße fühlen dürfen. Im Kinderzimmer liegen meist so einige Sachen herum: Buntstifte, Wäsche, Spielautos, Legosteine, Kuscheltiere, ... Wir wissen, wie sich all das in den Händen anfühlt, aber nun geht es darum, die Gegenstände mit den Zehen aufzuheben und in Haufen zu sortieren. Entweder gleich so, dass sie danach weggeräumt werden können, oder nach Beschaffenheiten: nach Farbe, ob sie sich weich oder hart anfühlen, ob die Gegenstände klein genug sind, um mit einem Fuß aufgehoben zu werden, oder so groß, dass erstmal auf dem Boden platzgenommen werden muss, um beide Füße fürs Aufheben freizuhaben.

Viel Freude beim Experimentieren mit allen Sinnen!

Viola Rosa Semper studierte Meteorologie an der Universität Wien. Nach dem Studium wandte sie sich vollständig der Literatur und der deutschen Sprache zu. Seit 2017 arbeitet sie als freie Autorin, Texterin, Lektorin und Tutorin für Deutsch als Fremdsprache. Sie leitet unter anderem die Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche in St.Pölten.

https://viola.semper.at/