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Agnes Brandl , 11.1.2023

Spiel braucht wenig Zeug

Warum oft weniger mehr sein kann

Im Spiel entdecken die Kinder die Welt. Dabei kommt es zu wichtigen kognitiven, sozialen und emotionalen Lernprozessen. Im Elternhaus und in elementarpädagogischen Einrichtungen stellt das freie Spiel der Kinder somit die wichtigste Lernform in den ersten sieben Jahren dar.

Für Kinder ist das Spielen ihre Grundtechnik, sich selbst weiterzubilden, sich selbst kennenzulernen und auch andere kennenzulernen. Kinder erforschen den Sinn ihrer Welt durch das Spiel. Da gehört auch der kleine Stein am Wegrand dazu oder die Lade voller Geschirr in der Küche. Kinder finden sich immer und überall etwas zum Spielen. Und eigentlich sind sie genau dann kreativ! Spielen ist, in einem kreativen Prozess sein und Neues schaffen.

Ideen, Vorstellungen, Phantasien werden ausprobiert und zum Leben erweckt.

In der Entwicklungspädagogik spricht man von unterschiedlichen Spielarten, die Kinder anwenden. 

Körper- und Gegenstandsbezogenes Funktionsspiel

Wenn ein Kind auf die Welt kommt, hat es schon erste Spielerfahrungen gemacht, denn das erste Spielmaterial ist der Körper und was man über Ultraschallbilder sehen kann ist, dass der Fötus bereits im Mutterleib die Finger in den Mund steckt und das immer wiederholt. Dies setzt sich fort, wenn das Baby in der Wiege oder im Bettchen auf dem Rücken liegt.

Das Spiel dient der Ausbildung der Augen-Handkoordination und hat ein Lustprinzip als Motiv. Erst wenn diese Augen- Handkoordination ausgeführt wird und es nach einen Gegenstand greifen kann, sollte dem Baby eine Rassel, ein Korbball oder eine Windel in die Wiege gelegt werden. Wichtig ist, dass das Baby die Erfahrung macht: "Ich kann mich selbst unterhalten und brauche keine Animation, dass es mir gut geht." Das Zulächeln, Spaß machen, liebevolle "Gepflegt Werden" sichert die Bindung zum Kind in dieser Zeit.

Symbolspiel

Das Kind beginnt ab ca. 2;6 Jahren (Kurzschreibweise für 2 Jahre, 6 Monate), fiktive Handlungen zu spielen. Meist beobachtet es seine Eltern und versucht, die Handlung nachzuspielen. Man nennt dieses Spiel auch "So-tun-als-ob-Spiel".

Nach Jean Piaget kommt das Kind erst dann in das Symbolspiel, wenn es die  Objektkonstanze entwickelt hat. Das heißt, das Kind kann sich Objekte oder Handlungen vorstellen, die nicht unmittelbar vor dem Kind liegen. Geschichten werden erfunden, Handlungen nacherlebt. 

Konstruktionsspiel

Im Konstruktionsspiel wird durch eigenes Tun ein Ziel erreicht. Das Ziel setzt sich das Kind selbst (z. B. "Ich baue ein Haus"). Dieses Vorhaben kann zu Erfolg oder Misserfolg führen. Kinder nutzen die Erfahrungen aus dem Funktionsspiel über die Materialbeschaffenheit. Das Kind lernt, sich zu organisieren. Dies ist die Zeit des aktiven Experimentierens. Im Zusammenhang mit dem Konstruktionsspiel wird oft der Begriff "planvolles Vorausschauen" verwendet. Das Kind muss sein Handeln planen, um zum Beispiel zu wissen: “Was brauche ich für eine Ritterburg?" Das Kind kann nun einen Gegenstand durch einen anderen ersetzen, z. B. ein Auto durch einen Baustein. Das Kind entwickelt die Fähigkeit, sich Dinge vorzustellen bzw. "inneres Handeln" zu vollziehen.

Rollenspiel

Im Kindergartenalter ist es ein „Schulreifezeichen“, wenn dieses Konstruktionsspiel in ein Rollenspiel übergeht, denn die Kinder haben eine kognitive Entwicklung durchgemacht. Wir hören: „Spielen wir wieder so wie gestern, du bist der Hund und ich der Esel." 

Im Rollenspiel lernt das Kind soziale Verhaltensregeln kennen. Das Kind nimmt soziale Rollen ein, meist ahmt es dazu Erwachsene nach. Typische Spiele sind Mutter-Vater-Kind-Spiele oder Doktorspiele. Dies dient als Mittel, um ein bestimmtes Ziel zu realisieren. Kinder verarbeiten im Rollenspiel positive und negative Erfahrungen. Oft erlebt man, dass schüchterne Kinder im Rollenspiel Helden sein wollen. Dabei hat das Kind die Möglichkeit, verschiedene Konfliktlösestrategien zu probieren.

Regelspiel

Das Regelspiel setzt ein hohes kognitives Entwicklungsniveau voraus. Voraussetzung ist, dass sich das Kind verbal oder non-verbal äußern kann. Wenn der Perspektivenwechsel erfolgt ist, kann das Kind den Blickwinkel anderer einnehmen und eine eigene Sichtweise entwickeln. Dies ist eine weitere Voraussetzung für das Regelspiel. Das Kind muss zudem lernen, sich an Abmachungen zu halten. Es lernt Regeln und Grenzen kennen und soll eine angemessene Frustrationstoleranz entwickeln. Hierbei erfährt es eine Steigerung des Selbstwertgefühls.

Es ist Ihnen sicher schon aufgefallen, dass Ihr Kind am liebsten das tut, womit Sie sich gerade beschäftigen, und das dann mit dem gleichen Handwerkszeug wie die Großen macht. Wenn Sie ihm Puppengeschirr geben, möchte es mit dem Mixer rühren. „Ich will auch“ drückt die höchste Motivation des Kindes aus und wird von uns leider zu oft überhört. Da wach zu sein und die Mittel zur Verfügung zu stellen, die das Kind zum „Lernen“ braucht, ist eine wichtige Aufgabe in der Begleitung unserer Kinder.

Immer häufiger klagen die Eltern, dass ihr Kind sich nur schwer alleine beschäftigen kann und beim Spielen nicht bei der Sache bleibt. Kinder sind von den Spielzeugbergen im Kinderzimmer einfach überfordert. Sie können sich nicht entscheiden, womit sie spielen sollen, weil die Auswahl zu groß ist.

Tipps gegen Spielzeugflut

  • Helfen Sie Ihrem Kind dadurch, dass Sie die Auswahl begrenzen. Beobachten Sie, womit es gerade am liebsten spielt. Diese Spielsachen sind diejenigen, die seiner momentanen Entwicklungsstufe offenbar am besten entsprechen. Spielzeug, mit dem das Kind gerade selten spielt, braucht es derzeit nicht.
  • Räumen Sie die Spielsachen, die wenig benutzt werden, weg. Kündigen Sie das dem Kind aber vorher an, damit es den „Spielzeugentzug“ nicht als Bestrafung empfindet. Erklären Sie ihm, dass die Spielsachen sich mal ausruhen müssen. Lassen Sie Ihr Kind mitbestimmen und werfen Sie es auf keinen Fall weg.
  • Das Spielzeug können Sie in eine Kiste räumen und wenn Besuch von Kindern kommt, es zur Verfügung stellen, falls die Kinder schwer in ein Spiel finden.
  • Geben Sie dem Kind kein „Zeugs“, sondern wertvolle SpielGABEN, die der Entwicklung dienen.

Qualität vor Quantität

  • Nicht zu viel – dafür vielseitige Spielgaben mit differenzierten Oberflächenbeschaffenheiten auswählen, da Plastik sehr einseitige Tasteindrücke hinterlässt und verschiedene Holz-, Metall-, Stoff- und Papierqualitäten von Beginn an differenzierte Tasteindrücke fördern, worauf die Sprachkompetenz aufbaut.
  • Ein Wort: Begriffe entwickeln sich nur aufgrund von real gemachten Erfahrungen. Der Weg führt über das Begreifen zum Begriff.

Spielgaben regen die Kreativität an

Wenn wir aus „Nichts“ „Etwas“ kreieren, ist das Ausdruck unserer Kreativität. So suchen Sie am besten jenes Material für die Kinder zum Spielen aus, in dem noch keine Idee eines Spielzeugherstellers drinnen steckt: Dinge aus dem Haushalt, Kisten, Wäschekörbe, Tücher, Decken, Papprohre, Stoff- und Wollreste (Achtung auf die Sicherheit des Kindes, dass sie sich die Stoffe nicht um den Hals wickeln), Tiere, Puppen, Kartonschachteln, Bälle und natürlich Naturmaterialien (Zapfen, Muscheln, Steine, Kastanien).

Agnes Brandl ist seit vielen Jahren bei Erziehungsfragen als Lehrende, Supervisorin und Pädagogin unterwegs. Sie ist selbstständig als Lebensberaterin für die Thema Erziehung, Familie und Konflikte lösen tätig und coached unsere KUKUDU Vermittler:innen in den Musik- und Kunstschulmodelregionen.